Gedanken zu Advent und Weihnachten

Wenn wir jetzt im Advent gefragt werden, wie es uns so geht, sollte in der Antwort eigentlich Freude über das bevorstehende Weihnachtsfest zum Ausdruck kommen. Doch meist hören wir nur von Stress, viel Arbeit und ähnlichen Belastungen.

Jedem ist klar, dass wir fast alle in etwas hineingezogen worden sind, was den ursprünglichen Sinn des Weihnachtsfestes ins Gegenteil verkehrt. Warum ist es soweit gekommen? Nicht der anonyme, nicht zu fassende  Zeitgeist stiehlt uns die Freude an Weihnachten. Für viele Fehlentwicklungen der Adventszeit und von Weihnachten lassen sich konkrete Gründe finden.

 

Der Autor Manfred Lütz hat einmal sinngemäß gesagt, dass man ernsthafte Dinge und Anliegen nur mit Humor verbreiten kann. Auch zur „staden Zeit“ hat er sich in seinem Buch „ Bluff! Die Fälschung der Welt“ unter dem Titel „Der Weihnachtsmann verkauft sein Fest“ geäußert:

 

„…Der Traum der Werbewelt ist der ohne Unterlass konsu­mierende Konsument. Nun ist der Werbespotzuschauer zwischen den Werbespots bedauerlicherweise anderen Einflüssen ausgesetzt, die ihn ablenken vom erfreulichen Griff ans Portemonnaie. Punktuelle Werbespots allein reichen also nicht aus, um Tag für Tag, von morgens bis abends, eine fröhliche Konsumatmosphäre zu schaffen, die am besten geeignet wäre, sozusagen totalitär den gan­zen Menschen in Kaufrausch zu versetzen. Und da ist man auf die Idee verfallen, kurzerhand eine bestimmte Jahreszeit zur totalen Konsumzeit umzubauen. Dazu hat man mal eben das christliche Weihnachtsfest kernsaniert, weil es irgendwie mit Geschenken zu tun hatte. Alle christlichen Inhalte hat man komplett entfernt und bloß noch die Fassade stehen lassen.

Ursprünglich war das Beschenken der Kinder zum christlichen Weihnachtsfest eine pädagogische Maßnah­me, um den Kleinen handgreiflich klarzumachen, dass die Menschwerdung Gottes alle Menschen mit der Erlösung von Sünde und Tod beschenkt hat. Die Freude über die wunderbaren Geschenke sollte die Freude über die Wun­der Gottes zum Ausdruck bringen. Dabei vergaß man nie, zu erwähnen, dass Gott besonders zu den Armen und Ausgestoßenen gekommen war, dass das Christuskind nicht in einem warmen Haus, sondern in einem arm­seligen Stall geboren wurde und dass schlichte Hirten und nicht schlaue Leute als Erste begriffen, um was es da ging. Der Missionar der Armut, der heilige Franz von Assisi, hatte die Weihnachtskrippe mit all ihren Figuren erfunden, damit man sich bildhaft klarmachen konnte, aus welcher Armut das Heil der Welt gekommen war. Und es wurden am christlichen Weihnachtsfest Weih­nachtsgeschichten vorgelesen, die zumeist von armen Menschen handelten, die die wahre Weihnachtsfreude er­lebten.

Man muss zugeben, diese christliche Weihnachtstradi­tion war für die beabsichtigte hemmungslose Konsum­orgie geradezu eine Katastrophe. Sie war nicht nur nicht gerade förderlich. Sie war im denkbar schlimmsten Sinne schädlich. Also musste man sie gnadenlos mit Stumpf und Stiel ausrotten. Das Projekt lautete: Weihnachten ohne Christentum! Das ist im Grunde so wie: Fußballspiel ohne Fußball. Auf so einen Gedanken muss man erst mal kom­men! Doch es funktionierte! Als Abrissbirne fungierte der sogenannte Weihnachtsmann. Was immer es an halb­heidnischen Traditionen für diese rot-weißen Weihnachts­trottel gibt, zur Ruinierung der christlichen Inhalte des Weihnachtsfestes und zur Förderung des Konsumrauschs waren sie prachtvoll geeignet. Umberto Ecos Roman »Der Name der Rose« lebt von der Behauptung, dass nichts so zerstörerisch auf Religion wirke wie Lächerlich­keit. Und lächerlicher kann sich ein ausgewachsener Mann eigentlich nicht anziehen als mit dieser unsäglichen Kostümierung. Wenn diese Typen Weihnachten repräsen­tierten, dann hatten ernsthafte Inhalte keine Chance mehr. Da die Weihnachtsmänner zwar wie chronische Al­koholiker, aber dennoch nicht ärmlich aussahen, waren es die idealen Anreger für grenzenlosen Glühweinkonsum und reichhaltige Einkäufe.

Tiere reagieren bekanntlich auf Schlüsselreize, und da auch wir Menschen irgendwie Tiere sind, haben die Wer­bepsychologen dafür gesorgt, dass möglichst zeitig möglichst viele Schlüsselreize geboten werden, damit die

Menschen merken, dass Weihnachten ist, und tierisch einkaufen. Längst vor dem ersten Advent werden die Straßen so ausstaffiert, als sei schon Heiligabend. Überall stehen Weihnachtsbäume herum und Lichterorgien sug­gerieren die Situation im Weihnachtszimmer.

Bei den Christen war das ganz anders. Da war die Ad­ventszeit früher in jeder Hinsicht eine Fastenzeit. Man aß kärglich, und man ließ es dunkel. Nur eine Kerze brannte am ersten Advent, und die vier Kerzen kurz vor Weih­nachten waren auch noch kein Lichtermeer. Man berei­tete sich mit besinnlichen Geschichten, mit frommen Ge­beten und anrührenden Gesängen auf das christliche Hochfest vor. Erst an Heiligabend sah man dann zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum voller strahlender Kerzen, und darunter standen die lange entbehrten Sü­ßigkeiten.

Diese christliche Dramaturgie bekommen selbst christ­liche Familien heute kaum noch hin. Denn der aggressive lärmende Weihnachtstrubel überrollt inzwischen rück­sichtslos alles. Lichterketten im Schaufenster für Unter­wäsche, erbarmungslose Musikberieselung nicht mit Ad­vents-, sondern mit Weihnachtsliedern, Weihnachtsmärk­te mit schummrig beleuchteten Blockhütten, in denen entsetzlich spießige Niedlichkeiten neben Bismarckheringen feilgeboten werden und in denen sich betrun­kene, zu Recht kinderlose Lebensabschnittspartner, ans Glühweinglas geklammert, »Ihr Kinderlein kommet!« anhören. Dieses komplett gefälschte Weihnachtsfest ist neuerdings einfach in jeder Hinsicht der Horror.

Wenn irgendwelche »Experten« zu Weihnachten befragt werden, dann erzählen sie allenfalls wortreich von folklo­ristischen Weihnachtsbräuchen wie von exotisch wirken­den Steinzeitritualen, von psychologischen Aspekten und von der angeblich dringend erforderlichen Diät nach dem Luxusgelage. Weihnachten kommt bei diesen Weih­nachtsexperten einfach überhaupt nicht mehr vor.

So hat sich Weihnachten inzwischen jeglicher existenzieller Inhalte entledigt. Es geht nicht um den christlichen oder sonst irgendeinen Gott, es geht nicht um Liebe oder um Moral, sondern man zeigt, was man hat, und man be­kommt, was einem zusteht, und das möglichst reichlich. Diese Fälschung des Weihnachtsfestes ist ökonomisch ein voller Erfolg. Alles dreht sich um gnadenlosen Kommerz, die Kassen klingeln hektisch, denn »Weihnachten wird unterm Baum entschieden«, wie ein Unternehmen dreist verkündete. Vor allem geht es um Geld, Geld ausgeben und Geld verdienen, und die Bilanz des Weihnachtsfestes zieht der Einzelhandel: Diesmal war Weihnachten wieder ein voller Erfolg!

Da die Dinge nun mal so liegen, kann man Christen eigentlich nur noch vorschlagen, ihr christliches Weih­nachtsfest am besten in den Sommer zu verlegen. Viel­leicht würde das gar keiner sofort merken, und ohnehin ist Jesus wahrscheinlich in der warmen Jahreszeit gebo­ren, sonst wäre er in der Krippe mutmaßlich erfroren. Die Heiden wären dann bei ihrem Lichterfest zur Sonnwend­feier am 25. Dezember ganz unter sich und könnten so richtig von »Geiz ist geil« bis zu »Man gönnt sich ja sonst nichts« die Sau rauslassen, und die Christen könnten sich im Sommer wieder in Würde und Besinnlichkeit der Menschwerdung Gottes erinnern.“